Exposé - Konstruktive Kritik der Antijudaismen
Dr. Claudia Alsleben-Baumann
Dass Judenfeindschaft nicht allein säkular, sondern gleichwohl religiös motiviert sein kann, belegen oben genannte, lang tradierte Stoffe kirchlichen Kerygmas, die das spannungsgeladene Potential unserer Glaubensschriften vor dem zeitgeschichtlichen Problemfeld der Textwerdung missachten und laut Päpstlicher Bibelkommission „einseitig“ ausdeuten. Infolgedessen stellt Antijudaismus gemäß Kampling „eine Verfehlung dessen dar […], dem es dienen sollte […], dem Evangelium Jesu Christi.“ Keinesfalls lässt er sich auf genuin jesuanische Tendenz zurückführen. Korrektur ist demnach rechtens, Perspektivenwechsel unumgänglich - dieser wird von den christlichen Kirchen seit geraumer Zeit zukunftsweisend in diversen Erklärungen postuliert. Praktisch kann dies heißen: Korrigierende Intervention durch historisch-kritische Lektüre der Texte selbst (nach Kampling, Fiedler u.a. unverzichtbar), aber auch durch Kritik an der judenfeindlichen Auslegungstradition. |
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Kontrovers diskutiert wird zudem die textimmanente Relativierung (Angabe positiver Divergenzstellen gegen einseitige Leseart, R. Pesch, Theißen u.a.), ein Verzicht auf die Zitation problematischer Perikopen (Ehrlich, P. Petzel u.a.), bewusstes Umformulieren (L. Schottroff u.a.), emotionaler Abbau von Vorurteilen und negativ besetzten Topoi, ferner durch gelebtes Miteinander, etwa in Jugendprojekten, fruchtbare Wahrnehmung gegenwärtiger wie eschatologischer Weggemeinschaft / Neuverortung christlicher Identität, Erkennen des wurzelhaften Zusammenhangs auf vielfacher Ebene, Absage an Israelvergessenheit der christlichen Lehre und religiöse Selbstprofilierung auf Kosten des jüdischen Volkes, Manifestation der heilsgeschichtlichen Würde Israels im Bewusstsein der Gläubigen, subjektorientiertes Erinnern (so Boschki u.a.), theologisch-interdisziplinäre Arbeit (Riedlinger u.a.), in Ansätzen narrativer Theologie und Gedenkstättenpädagogik.