Exposé - Antijudaismen in der christlichen Kultur
Dr. Claudia Alsleben-Baumann
Die Verschränktheit von Geschichte und Kerygma, von verfasster und gelebter Religiosität, hat judenfeindlich deutbare Topoi der Schrift in künstlerische Werke dringen lassen und zugleich die Identitätsbildung unserer Zivilisation nachhaltig beeinflusst. Bei sakraler Malerei, Passionsspielen und Wallfahrten sowie in missfälligen Untertönen der Musik fand die Judenhetze - M. Ley (2002) nennt sie zu Recht Kulturpathologie - ein dankbares Substrat. Dafür bediente man sich typologischer Strukturelemente, welche explizit und in impliziter Form für uns als Mahnruf selbst in Gotteshäusern weiterhin präsent sind: so etwa die Polarität von Kirche und Synagoge als zwei ungleiche, Krieg führende Kontrahentinnen, neben leicht-fertigen Richterszenen, die auf den Tod Synagogas hinzielten. Der Kanon wiederkehrender Zerrbilder umfasst den fiktiven Vorwurf des Christus- bzw. Gottesmordes, der Teufelskindschaft, der Arglist und Habsucht ebenso wie die Zuschreibung als kollektive Widersacher der Christenheit. |
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Der Totschläger Kain, zur Ahasvergestalt des „Ewigen Juden“ entstellt, findet auf ähnliche Weise Gehör. Skurril hierbei sind diverse, oftmals brüchige Argumentationslinien, Unstimmigkeiten und Widersprüche, die nachfolgend im Detail veranschaulicht werden sollen. Progressive Künstler haben jedoch mittlerweile berichtigend eingegriffen, die dunkle Spur der Historie bisweilen löblich erhellt, beispielsweise gemäß der biblisch legitimierten Sicht des Judentums als Gemeinschaft Jesu und heilsgeschichtliche Größe, wie die musikalische Antwort W. Rihms, J. Bors Passionsspiel „Der Dritte“ und in der Kunst die Werke J. Tissots wirkungsvoll darlegen.