Exposé - Menschwerdung des Sohnes Gottes als Judewerdung. Zur christologischen Ernstnahme des Judeseins Jesu
Prof. Dr. Hans Hermann Henrix
Dass Jesus ein Jude war, wird von lehramtlicher Seite seit Nostra Aetate und in weiteren Texten seit den 1970er Jahren immer wieder betont. Die Betonung des Judeseins Jesu hat auf diesem Wege zwar Einzug in die Theologie gefunden, scheint in ihrer christologischen Tragweite jedoch noch nicht erschlossen. Vor dem Hintergrund der Heilsgeschichte Gottes mit seinem Volk darf seine Menschwerdung im Judentum nicht als Zufall betrachtet werden. Das chalkedonische "unvermischt" - wie Josef Wohlmuth feststellte - repräsentiert diesen jüdischen Stachel in der Christologie. Es hält die unbedingte Differenz Gottes vom Menschen trotz seiner Inkarnation aufrecht und wird dem jüdischen Ursprung der christlichen Überlieferung so gerecht; es ist die Treue zu Israels |
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Bekenntnis zur Einzigkeit Gottes. So steht Jesus Christus nicht nur in der Tradition der durch Moses gegebenen Gesetze. Er ist zugleich Veranschaulichung der Tora und als Lebensgestalt gewordene Tora zu verstehen. Dies griff auch Papst Benedikt XVI. unlängst in seiner Formulierung von Jesus als "Tora in Person" auf. Von einer Aufhebung der Tora durch ihn, von einem Gegensatz von Gnade und Gesetz, kann somit nicht länger die Rede sein. Jede Christologie muss sich an der Ernstnahme der Inkarnation des Gottessohnes als Jude messen.